Berlin. „Was so verheißungsvoll beginnt, entpuppt sich im weiteren Lebensverlauf als trügerische Hoffnung für viele Frauen“, kommentiert der AWO Vorstandsvorsitzende Wolfgang Stadler die jüngst veröffentlichten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Denn während Mädchen öfter höhere Bildungsabschlüsse erzielen als ihre männlichen Altersgenossen, sind sie oftmals bereits bei Berufseintritt finanziell benachteiligt. „Frauen verdienen heute durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer“, erklärt Stadler. Die Ursachen hierfür liegen auch in der geschlechtsspezifischen Berufswahl. Berufseinsteigerinnen wählen oftmals Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich oder im sozialen Sektor aus, die mit einer geringeren Entlohnung und einer geringeren gesellschaftlichen Wertschätzung einhergehen. „Deshalb ist es richtig, dass wir auch weiterhin für eine gerechte Entlohnung und eine gesellschaftliche Anerkennung der Sozialen Arbeit streiten. Ein wesentlicher Baustein ist der von uns geforderte Entgelttarifvertrag Soziales“, hebt der Vorstandsvorsitzende heraus.
Ein weiterer Grund für die aufklaffende Lücke zwischen Frauen und Männern liegt in der hohen Teilzeitbeschäftigungsquote von Frauen und den zunehmenden atypischen Beschäftigungsverhältnissen. „Zudem leisten Frauen den Löwenanteil unbezahlter Fürsorgearbeit im Bereich Erziehung und Pflege“, analysiert Stadler. So haben beispielsweise 96 Prozent aller Mütter und nur 29 Prozent aller Väter im Jahr 2012 das Elterngeld in Anspruch genommen. Insgesamt 81 Prozent der teilzeittätigen Mütter reduzierten ihre Arbeitszeit aufgrund persönlicher oder familiärer Verpflichtungen.
Aus dieser unzureichenden Gleichstellung folgt für die Frauen eine erhöhte Armutsgefährdung im Alter. „Jede vierte Frau ab 65 Jahren muss mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 900 Euro auskommen. Deshalb können die aktuellen Reformvorhaben, wie eine Frauenquote in Führungspositionen, nur einen kleinen Baustein auf dem Weg zur umfassenden geschlechtergerechten Politik darstellen“, unterstreicht der Vorstandsvorsitzende. Die Arbeiterwohlfahrt fordert, dass die Empfehlungen des Gutachtens zum ersten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung von 2011 konsequent in die Tat umgesetzt werden. „Eine moderne Gleichstellungspolitik braucht neben dem Abbau traditioneller Rollenverständnisse eine vernünftige Arbeits- und Sozialpolitik für Frauen. Dazu zählt auch atypische Beschäftigungsverhältnisse einzudämmen und ein Entgeltgleichheitsgesetz einzuführen“, schließt Stadler ab.
Der aktuelle Bericht des Statistischen Bundesamtes ist abrufbar unter:
https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressekonferenzen/2014/Gleichstellung/begleitheft_Gleichstellung_2014.pdf;jsessionid=140BDBE5A90B67AB034C8A868C991FCA.cae1?__blob=publicationFile