Armuts- und Reichtumsbericht – AWO fordert Konsequenzen

7 03 2013

Berlin, 06. März 2013. „Selbst die geschönten Fakten des Berichtes offenbaren, dass unserer Gesellschaft die Spaltung in einige Gewinner und viele Verlierer droht“, kritisiert der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler, dass das Bundeskabinett heute einen vorab mehrfach geänderten und damit schöngefärbten Armuts- und Reichtumsbericht beschließen möchte. „Werden die Ergebnisse nicht ernst genommen, verspielt Deutschland seine Zukunft“, warnt Stadler.

„Die AWO fordert mehr finanzielles Engagement für Bildung und Betreuung, bessere Zugänge zu Bildung und Arbeitsmarkt und mehr Beratung und Finanzierung von Sozialarbeit“, betont Stadler. Familien müssten aktiv unterstützt werden, damit sie ihre Chancen auch wahrnehmen können. Derzeit würden vor allem Familien mit hohen Einkommen von der aktuellen Familienpolitik profitieren, die zudem wie zum Beispiel mit dem Ehegattensplitting und dem Betreuungsgeld die falschen Anreize setze.

Stadler verweist außerdem auf Passagen des Berichtes, die offenlegen wie stark der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und gesellschaftlichen Teilhabechancen in Deutschland geworden ist. Anders gesagt: Wer arm geboren wird, bleibt es wahrscheinlich sein Leben lang. Benachteiligte Kinder leben häufig in schwierigen Wohngegenden, ihre Familien werden zu wenig unterstützt, Chancen auf auskömmliche Löhne sind gering. Schon das Freizeitverhalten vor Schuleintritt ist von den schlechten Startchancen geprägt: Kinder aus benachteiligten Familien nehmen deutlich seltener an außerhäuslichen Aktivitäten teil als Kinder aus Familien mit höheren Einkommen. Diese Benachteiligung würde schließlich häufig in Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und Wut münden.

Darüber hinaus fordert Stadler: „Es ist höchste Zeit, endlich das Thema Verteilung anzugehen“, denn der Armuts- und Reichtumsbericht lege eine immer größer werdende Ungleichheit offen: Die untere Hälfte der Haushalte in Deutschland verfüge nur über rund ein Prozent des gesamten Nettovermögens. Die oberen zehn Prozent besäßen dagegen fast 60 Prozent. 1970 lag dieser Wert noch bei 44 Prozent. Zudem stieg die Zahl der Millionäre in Deutschland zuletzt überdurchschnittlich, wie der  World Wealth Report 2012 feststellt, den die Bundesregierung in ihrem Bericht aber ausgespart.

Stadler fordert die Politik zum Umsteuern auf: „Es geht um unsere Kinder, um unsere Zukunft!“ Die Menschen hätten dafür offenbar mehr Gespür als die Politik, denn wie eine Umfrage im Armuts- und Reichtumsbericht selbst darlegt, stimmen 77,7 Prozent der Befragten folgender Aussage zu: „Zu großer Reichtum führt zu Spannungen und Problemen in der Gesellschaft“. Für Stadler ein Beleg: „Die AWO-Werte Solidarität, Toleranz und Gerechtigkeit sind heute so modern und so zukunftsfähig wie vor hundert Jahren!“

Die aktuelle AWO-Ansicht mit dem Titel „Armutsfalle Deutschland“ widmet sich vollständig dem Thema Armut in Deutschland. Analysen und Zahlen in diesem Heft zeigen, dass die Angst der Menschen in Deutschland vor Armut zunimmt. Es ist an der Zeit, die Ursachen von Armut endlich zu bekämpfen.





„Ein-Satz“ für gute Pflege

23 03 2012

Berlin, 23. März 2012.
Um die Zukunft der Pflege älterer Menschen in Deutschland ist es nicht gut bestellt. Hilfe- und pflegebedürftige Menschen benötigen eine stärkere Lobby in der Politik und der Gesellschaft. Deshalb haben sich verschiedene Akteure, die die aktuelle Situation nicht mehr länger hinnehmen wollen, zu dem BÜNDNIS für GUTE PFLEGE zusammengeschlossen. Gemeinsam fordern die Bündnispartner aus Selbsthilfe und Verbrauchervertretungen, Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie Gewerkschaften und Berufsverbänden Perspektiven für eine bessere Pflege in Deutschland. Unterstützen Sie das Bündnis mit Ihrem „Ein-Satz“ für gute Pflege. Wir geben Ihnen eine Stimme. Laden Sie auf http://www.buendnis-fuer-gute-pflege.de Ihr Foto und Ihre Meinung zum Thema gute Pflege in Deutschland hoch. Klicken Sie hier für Ihren „Ein-Satz“.
Die Forderungen des Bündnisses sind:
Pflegebedürftige Menschen brauchen maßgeschneiderte Pflege. Das beinhaltet eine selbstbestimmte und qualitativ hochwertige Pflege und häusliche Versorgung. Dazu gehört eine umfassende und unabhängige Beratung und Hilfestellung, genauso wie eine Stärkung des Bereichs der häuslichen Pflege. An Demenz erkrankte Menschen werden vom jetzigen System besonders benachteiligt. Deshalb fordert das Bündnis für gute Pflege, den Pflegebedürftigkeitsbegriff endlich zu erweitern und umzusetzen.
Pflegende Angehörige brauchen Unterstützung und gesellschaftliche Anerkennung für das, was sie tun: Zum Beispiel durch mehr Unterstützungs- und Entlastungsmöglichkeiten aber auch mehr Transparenz der vorhandenen Hilfen. Ein wichtiger Punkt ist eine verbesserte Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
Profis in der Pflege brauchen gute Lohn- und Arbeitsbedingungen zum Beispiel in Form von tariflicher Bezahlung und einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur so kann dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel begegnet werden.
Gute Pflege hat ihren Preis und braucht mehr Solidarität. Auf gute Pflege haben alle ein Recht, sie darf nicht arm machen. Deshalb setzt sich das Bündnis dafür ein, dass die Finanzierung der Pflege solidarisch und paritätisch erfolgt und nicht einseitig zu Lasten der Versicherten geht.

Bündnispartner (Stand März 2012) sind:

· Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. (AWO)
· Paritätischer Gesamtverband e. V.
· Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V. (DAlzG)
· Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe e. V. (DBfK)
· Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)
· Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD)
· Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv)
· Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
· Volkssolidarität Bundesverband e. V.
· Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland e. V. (ZWST)





Ja zur Pflege-Bürgerversicherung

5 03 2012

Berlin, 05. März 2012. 65 Prozent der Befragten sind laut AWO Sozialbarometer für die Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung. In Gehaltsgruppen mit weniger als 1.500 Euro monatlichen Netto-Haushaltseinkommens liegt die Zustimmung so gar bei 74 Prozent. „Viele Menschen haben offenkundig einfach nicht mehr die finanziellen Mittel, um private Vorsorge zu betreiben“, so AWO Bundesvorsitzender Wolfgang Stadler. „Es ist daher notwendiger denn je die Finanzierungsgrundlage für die Pflege zu verbreitern und sozial gerecht zu gestalten“,  fordert der AWO Bundesvorsitzende. Dies sei mit einer Pflege-Bürgerversicherung, in die alle Versicherungspflichtigen entsprechend ihres Einkommens einzahlen, sehr gut möglich.

Jenseits der Gerechtigkeits- und Solidaritätsfrage werden in einem aktuellen Gutachten des AWO Bundesverbandes noch weitere Vorteile einer Pflege-Bürgerversicherung festgehalten. Demnach:

  • ist die Pflege-Bürgerversicherung nicht nur gerecht, sondern auch ohne zusätzliche Kosten umsetzbar;
  • kann die Pflege-Bürgerversicherung allen Bürgern eine ausreichende Absicherung gewährleisten und eine private Zusatzversicherung überflüssig machen;
  • macht eine Pflege-Bürgerversicherung sogar Leistungsverbesserungen für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen möglich.

„Eine Pflege-Bürgersicherung ist also nicht nur gelebte Solidarität und finanziell sinnvoll. Ihre Einführung wäre zugleich ein kraftvolles Zeichen für eine zukunftstaugliche Pflege in Deutschland. Teile der politisch Verantwortlichen müssen deshalb endlich ihre rein ideologischen Bedenken bei Seite räumen und zur politischen Vernunft kommen“, AWO Bundesvorsitzender Stadler.

Weitere Informationen und Info-Graphiken unter www.awo-sozialbarometer.org





Ausgaben für Kinder- und Jugendhilfe steigen durch gesellschaftlichen Wandel

19 01 2012

Berlin, 18. Januar 2012. „Das sind Investitionen in die Zukunft“, kommentiert der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler die 28,9 Milliarden, die die öffentliche Hand nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 2010 für die Kinder- und Jugendhilfe ausgab. „Die Ausgabensteigerung um 7,4 Prozent spiegelt den gesellschaftlichen Wandel wider. Sie zeigt zum einen, dass der Bedarf an Kinderbetreuung gestiegen ist und zum zweiten, dass die Anzahl der Kinder und Jugendlichen, die in schwierigen Lebensverhältnissen groß werden, leider stetig wächst “, erklärt Stadler.

Der größte Teil der Bruttoausgaben (62 Prozent) entfiel mit rund 17,8 Milliarden Euro auf die Kindertagesbetreuung, Nach Abzug der Einnahmen entspricht das einer Steigerung um 11,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Eltern wollen und brauchen eine wohnortnahe und qualitativ gute Kinderbetreuung“, betont Stadler. Hier sind noch weiter steigende Kosten denkbar, wenn ab August 2013 der Rechtsanspruch für die Betreuung von Kindern ab einem Jahr gilt. „Es liegt im ureigensten Interesse der Städte und Gemeinden, ihr Ausbautempo zu forcieren. Kinderfreundlichkeit wird zum Standortfaktor“, ist sich Stadler sicher.

Die Gründe für den, in den letzten Jahren stetig gestiegenen Bedarf an Erziehungshilfen sind vielseitig. Immer mehr Kinder wachsen heutzutage in einer Atmosphäre von Arbeitslosigkeit, Armut oder Gewalt auf. So wundert es nicht, dass gut ein Viertel der Bruttoausgaben (26 Prozent) der Kinder- und Jugendhilfe – und damit insgesamt mehr als 7,5 Milliarden Euro – für Hilfen zur Erziehung ausgegeben werden. „Hilfen zur Erziehung sind von enormer Bedeutung für die soziale Entwicklung der betroffenen Kinder. Jeder Euro, der rechtzeitig und qualitativ ausreichend in Kinder und Jugendliche investiert wird, kann später vielfach eingespart werden“, betont Stadler und fügt hinzu: „Kinder sind unsere Zukunft. Ihr Wohl muss im Mittelpunkt des gesellschaftlichen Handelns stehen“, betont Stadler.





50 Jahre Anwerbeabkommen – AWO unterstützte „Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter“ von Anfang an

29 10 2011

Berlin, 29. Oktober 2011. „Das Anwerbeabkommen löste einen dynamischen Gesellschaftsprozess hin zu einer bunteren Gesellschaft aus, wie es damals wohl niemand erwartet hätte“, erklärt AWO Vorstandsmitglied Brigitte Döcker anlässlich des 50. Jahrestages des Anwerbeabkommens der Bundesrepublik Deutschland mit der Türkei am 30. Oktober 2011. Die Bundesrepublik transformierte sich damit von einem engen Nationalstaat hin zu einer Einwanderungsgesellschaft. „Das veränderte auch die AWO“, betont Döcker.
So habe die AWO bereits im Juli 1962 den ersten türkischen Sozialberater eingestellt und das erste „Türk Danış –Büro“ eröffnet. Von diesem Zeitpunkt an, war die Arbeiterwohlfahrt der so genannte zuständige Betreuungsverband für türkische Staatsangehörige. Innerverbandlich war es ein langer Weg von der früher vorherrschenden paternalistischen Fürsorgehaltung hin zum gegenwärtigen Leitbild einer „Sozialen Arbeit in einer Einwanderungsgesellschaft“, die mittlerweile das Selbstverständnis der AWO prägt.
„Heute sind aus der Türkei stammende Großeltern, ihre hier geborenen Kinder und ihre Enkelkinder selbstverständliche Kunden unserer Kindergärten und die Zahl der aus der Türkei stammenden Senioren in unseren Altenhilfeeinrichtungen nimmt kontinuierlich zu“, zeigt sich Döcker erfreut. Das gelte ebenso für die Beschäftigten. „Erzieherinnen und Pflegekräfte mit türkischen Wurzeln gehören bei uns schon lange zur Normalität“, betont Döcker.
An die Politik appelliert Döcker, sich noch aktiver für die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft aller in Deutschland lebenden Bürger einzusetzen.
Deshalb fordert die AWO:

  •  Voraussetzungslose doppelte Staatsangehörigkeit für alle diejenigen, die seit der Anwerbung 1961 bis zum Anwerbestopp 1973 in die Bundesrepublik einreisten. Dies wäre eine tatsächliche rechtliche Würdigung der Lebensleistung dieser vormaligen „Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter“.
  • Streichung der Optionspflicht und Zulassung der doppelten Staatsangehörigkeit für in Deutschland geborene Kinder und Jugendliche.
  • Volle rechtliche Umsetzung des Rechtsrahmens, wie er sich aus dem Assoziationsabkommen zwischen der EU und der Republik Türkei ergibt. Nach dessen Vorgaben sind viele rechtliche Regelungen des aktuellen Zuwanderungsgesetzes auf türkische Staatsangehörige nicht anwendbar. Dazu gehören die Visumspflicht, der Familiennachzug und die Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen




Koalitionsgipfel muss Ergebnisse bringen

20 10 2011

Berlin, 20. Oktober 2011. „Vom morgigen Koalitionsgipfel erwarten die Bürger eine klare Handlungsstrategie für eine zukunftsgerichtete und verantwortungsvolle Politik“, erklärt der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler anlässlich des Treffens bei dem die wichtigsten Themen der zweiten Hälfte der Legislaturperiode besprochen werden sollen: „Die Reform der Pflegeversicherung ist bereits mehr als überfällig und die Mittel für das geplante Betreuungsgeld sollten besser in den Ausbau der Kinderbetreuung gesteckt werden“, fordert Stadler. Gleichzeitig lehnt er Steuerreduzierungen ab: „Anstatt die Handlungsfähigkeit des Staates durch Steuersenkungen weiter zu beschneiden, sollte die Regierung die Einnahmen durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes erhöhen.“

Auch wenn Bundesfamilienministerin Kristina Schröder das Betreuungsgeld nur noch ein Jahr zahlen möchte, würde es immer noch viel Geld verschlingen. „Die Koalition sollte das Vorhaben aufgeben und die dafür eingeplanten Mittel stattdessen in den Ausbau der Betreuungsangebote investieren“, fordert Stadler und erklärt weiter: „Über den Nutzen frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung herrscht mittlerweile Konsens, da wäre es doch aberwitzig Eltern Geld dafür zu geben, dass sie Betreuungsangebote nicht in Anspruch nehmen. Vielmehr muss es darum gehen, genügend Betreuungsplätze zu schaffen.“

In Punkto Pflegeversicherung plädiert Stadler für die Beibehaltung des bewährten Modells der solidarischen Finanzierung. „Die derzeitigen Ereignisse an den Finanzmärkten beweisen, dass ein privatwirtschaftlicher Kapitalstock keine sichere Anlage für das Geld der Versicherten ist“, betont Stadler. Dennoch dürfe es beim Thema Pflege nicht nur um finanzielle Fragen gehen. „Die Pflegebedürftigen benötigen dringend Leistungsverbesserungen, deshalb muss der Pflegebedürftigkeitsbegriff reformiert werden“, betont Stadler. Um eine Erhöhung der Beitragssätze werde man letztendlich nicht herumkommen, denn so Stadler: „Gute Pflege kostet Geld“.

Darüber hinaus lehnt die AWO unten den aktuellen politischen Umständen Steuersenkungen ab. „Grundsätzlich erwarten die Bürger aber mehr Steuergerechtigkeit“, betont Stadler. So sind laut dem AWO-Sozialbarometer* 77 Prozent von über 1.000 befragten Bürgern dafür, dass der Spitzensteuersatz für Besserverdienende erhöht wird, um die Handlungsfähigkeit des Staates zu verbessern. Die Menschen hätten ein gutes Gespür dafür, wenn es nicht gerecht zugehe. „Sie verstehen nicht, wenn Milliardensummen für Bankenrettungen aufgebracht, aber gleichzeitig Kürzungen im Sozialbereich vorgenommen werden, um diese Milliardensummen gegen zu finanzieren“, erklärt Stadler abschließend.

 

* Die Studie wurde im September 2011 von TNS-Infratest durchgeführt. Weitere Infos unter: www.awo-sozialbarometer.org





Verband berufstätiger Mütter e.V. : „Ich kann kommen und gehen wann ich will!“

18 10 2011

Ergebnisorientiertes Arbeiten – von der Utopie zum Erfolgsmodell für familienbewusste Unternehmen. Das Topthema des Verbands berufstätiger Mütter (VBM) hat es in sich: „Effizienz statt Präsenz“ fordert nicht weniger als die Abschaffung der Präsenzkultur in deutschen Unternehmen. Was steckt dahinter? Lange Anwesenheit fördert die Karriere, vor allem abends. Auch die Teilnahme an Meetings ist ein Karrierefaktor. Nur dann glauben Kollegen und Vorgesetzte, dass man etwas tut für das Unternehmen. Angestellte werden zudem nach abgeleisteten Arbeitsstunden bezahlt, selten nach Leistung oder Ergebnissen. Das heißt: Wer von morgens bis abends im Unternehmen präsent ist, muss wohl sehr engagiert sein und wahrscheinlich auch besser als die weniger präsenten Kolleginnen und Kollegen, oder? Menschen, die z.B. aufgrund familiärer Verpflichtungen weniger präsent sein können, haben also das Nachsehen.Diese Arbeitskultur benachteiligt viele Frauen – aber auch Männer – mit Kindern, die nicht Vollzeit arbeiten können oder wollen. Weniger anspruchsvolle Aufgaben, geringere Karrierechancen und ein niedrigeres Gehalt sind Ausdruck dieser Benachteiligung. Deshalb fordert der VBM hier von den Arbeitgebern ein Umdenken. Ergebnisbezogenes Arbeiten nützt Unternehmen Der sich anbahnende Fachkräftemangel in Deutschland zwingt Unternehmen, stärker auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzugehen und zukunftsfähige Konzepte für die Gestaltung der Arbeitswelt zu entwickeln. Viele benötigen mehr Freiraum, um Beruf und Familie zu vereinbaren. Doch auch Menschen ohne familiäre Verpflichtungen werden sich in Zukunft für die attraktivsten Arbeitgeber entscheiden, und flexibles und selbstbestimmtes Arbeiten steht gerade bei sehr gut ausgebildeten Fachkräften hoch im Kurs. Die Flexibilisierung von Arbeitszeit und –ort und die Förderung ergebnisbezogenen Arbeitens bringen weitere Vorteile: Effizienz und Produktivität steigen, wenn der Arbeitstag entzerrt wird, und Mitarbeiter sind ausgeglichener und motivierter, wenn sie ihre Zeit eigenverantwortlich gestalten können.

Arbeiten frei von Zeit und Raum – das Lübecker Symposium setzt Zeichen: Gemeinsam mit der Beratungsstelle „Wirtschaft und Familie“ der IHK zu Lübeck veranstaltete der VBM am 02. September 2011 das Symposium „Moderne Zeiten – arbeiten frei von Zeit und Raum“. Experten, Wissenschaftler und Unternehmer diskutierten hier das Für und Wider einer flexiblen Arbeitswelt. Mehr als 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie die lebhaften Diskussionen belegen, dass mit diesem Thema ein Nerv bei den Unternehmensverantwortlichen getroffen wurde. Vor allem die Beispiele aus der Praxis zeigten eindrucksvoll, wie unterschiedlich ergebnisorientiertes Arbeiten, flexible Arbeitsstrukturen und eine ernst gemeinte Mitarbeiterorientierung umgesetzt werden können – und das zum Teil mit sehr einfachen Maßnahmen.

Zum Beispiel gilt in der Volksbank Lübeck nun die Devise „Zielverantwortung statt Anwesenheitsprämie“, flexible Arbeitszeitmodell sind möglich und individuelle Lösungen für die Mitarbeitenden werden unbürokratisch gefunden.

Bei dem großen Berliner Ingenieurbüro hhpberlin Ingenieure für Brandschutz GmbH wird die Präsenz im Büro zur Nebensache. Die Verantwortung für die Arbeitsergebnisse liegt bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wobei der Kundenservice durch innovative Informationstechnik sichergestellt wird.

Feste Wochenarbeitszeiten gibt es nicht – die Geschäftsführung geht davon aus, dass Mitarbeiter in den mittleren Jahren mit Familie eben weniger arbeiten als jüngere. Dennoch ist das Leistungsniveau extrem hoch, und sehr hohe Bewerberzahlen belegen die Attraktivität dieses innovativen Arbeitgebers.

Erstaunlicherweise ist der Anteil der Frauen für den Ingenieurbereich mit mehr als 50% auffallend hoch. Silke Luinstra, Bundesvorsitzende des VBM und Beraterin für Beruf und Familie stellte einen neuen Ansatz zum ergebnisbezogenen Arbeiten vor: das ROWE – Results Only Work Environment. Kennzeichen dieser Arbeitsweise ist eine völlig neue Auffassung von Arbeit, nämlich nicht als Ort, den man aufsucht, sondern als Tätigkeit mit konkreten Ergebnissen. Mitarbeiter haben mehr Freiheit, so zu arbeiten, wie es ihnen entspricht, es gibt keine starren Arbeitszeiten, jedes Meeting ist optional – und niemand wird danach beurteilt, wie lange er seine Zeit im Büro verbringt oder wie viele Stunden er arbeitet. Diese Flexibilisierung von Arbeitszeit und –ort schafft eine völlig neue Arbeitswelt, die auf die individuellen Bedürfnisse von Mitarbeitern Rücksicht nimmt. Dies klingt utopisch, doch der amerikanische Elektronikkonzern Best Buy, IBM, Siemens und GAP haben diese Arbeitsweise in ihrem Unternehmen bereits umgesetzt – und konnten so z.B. die Fluktuation von Mitarbeitern extrem reduzieren, Geld sparen, da sie weniger Büroflächen benötigten und – im Fall von Best Buy – die Produktivität um 35 % erhöhen.

Für eine familienbewusste Arbeitswelt! Nicht nur der VBM widmet sich dem Thema Flexibilisierung von Arbeitszeit und –ort. Z.B. greifen das Bundesfamilienministerium und die DIHK mit ihrer Initiative „Erfolgsfaktor Familie“ das Thema „Familienfreundliche Arbeitszeiten“ auf (www.erfolgsfaktor-familie.de). Und auch in den Lokalen Bündnissen für Familie wird dieses Thema bundesweit immer wieder diskutiert.

Quellen:

Info des Zukunftsforum Familie e.V. vom 17.10.2011 (www.zukunftsforum-familie.de)

Pressemitteilung Verband berufstätiger Mütter e.V. vom 04.10.2011